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Insolvenzsteuerrecht – präzise Einordnung in Krise, Sanierung und danach

Das Insolvenzsteuerrecht verbindet Abgabenordnung (AO), Insolvenzordnung (InsO) und die Einzelsteuergesetze (insbesondere UStG, EStG, KStG, GewStG). Entscheidungen zu Umsatzsteuer, Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer greifen in der Krise direkt in Liquidität, Haftung und Sanierungsfähigkeit ein. Dieser Überblick skizziert die zentralen Schnittstellen und zeigt, wie sich Steuern in der Insolvenz sachgerecht organisieren lassen – mit besonderem Fokus auf das Sanierungssteuerrecht und die Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen nach § 3a EStG, auf die Strukturierung in M&A- und Insolvenzplanverfahren sowie auf die Post-Insolvenz-Beratung.

Ausgangspunkte im Insolvenzsteuerrecht

Im Insolvenzsteuerrecht sind vor allem drei Themen prägend:

  • Abgrenzung vor und nach Verfahrenseröffnung: Periodengerechte Erfassung in Buchführung und Steuererklärungen, getrennte Kontenkreise, eindeutige Belegwege.
  • Masseverbindlichkeit oder Insolvenzforderung: Qualifikation von Forderungen der Finanzverwaltung nach § 55 InsO; Auswirkungen auf die Masse und die Verteilungsreihenfolge.
  • Organisation der Steuern in der Insolvenz: Frist- und Prozesssicherheit für Umsatzsteuer-Voranmeldungen, Erklärungen zur Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer sowie belastbare Prozesse für die Lohnsteuer.

Die Steuern in der Insolvenz lassen sich nur mit klaren Regeln steuern: präzise Periodenabgrenzung, belastbare Dokumentation und konsistente Anträge gegenüber der Finanzverwaltung.

Sanierungsgewinne steuerfrei sichern: § 3a EStG (Kern des Sanierungssteuerrechts)

Sanierungsgewinne entstehen typischerweise durch Forderungsverzichte, Quotenregelungen oder Vergleiche. Das Sanierungssteuerrecht zielt darauf, diese Erträge nach § 3a EStG von der Einkommensteuer beziehungsweise Körperschaftsteuer und nach § 7b GewStG von der Gewerbesteuer freizustellen – vorausgesetzt, der Sanierungsbezug ist gegeben und nachweisbar.

  • Sanierungsabsicht und -eignung: Unternehmensbezogener Sanierungszweck, tragfähige Fortführungsprognose, integrierte Planungsrechnungen; dokumentierte Kausalität zwischen Maßnahmen und Sanierungserfolg.
  • Gläubiger- und Konzernsetting: Einheitliche Sanierungskonzeption, konsistente Planpassagen, keine widersprüchlichen Nebenabreden; sorgfältige Behandlung konzerninterner Konstellationen.
  • Bilanzielle und zeitliche Erfassung: Abstimmung der Ertragsrealisation mit der steuerlichen Erklärungspraxis; Beachtung korrespondierender § 17 UStG-Berichtigungen der Umsatzsteuer (Stichwort Uneinbringlichkeit).
  • Folgewirkungen: Verlustnutzung, Zinsschranke, gewerbesteuerliche Hinzurechnungen; Vermeidung von Folgegestaltungen, die die Steuerbefreiung konterkarieren.

Ziel ist eine prüfungsfeste Nachweisführung, die in Betriebsprüfung und Rechtsbehelfsverfahren trägt – ein Kernanliegen des Sanierungssteuerrechts.

Strukturierung von M&A-Prozessen und Insolvenzplanverfahren

Transaktionen in der Krise sind eng mit dem Insolvenzsteuerrecht verzahnt. Die Wahl zwischen Asset Deal und Share Deal, die Ausgestaltung von Debt-to-Equity-Swaps sowie die Architektur des Insolvenzplans bestimmen, ob Sanierungsgewinne steuerfrei bleiben und welche Folgeeffekte auf Ebene der Umsatzsteuer, Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer entstehen.

  • Asset Deal / Geschäftsveräußerung im Ganzen: Prüfung der Voraussetzungen unter dem UStG; Vermeidung unnötiger Umsatzsteuerbelastungen und Sicherung des Vorsteuerabzugs.
  • Share Deal / Verlustvorträge: Umgang mit Beteiligungswechseln, Organschaft und Verlustnutzung; Vermeidung schädlicher Tatbestände bei der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer.
  • § 75 AO (Haftung beim Erwerb eines Unternehmens): Vertragsgestaltungen zur Absicherung des Erwerbers.
  • Insolvenzplan: Explizite steuerliche Wirkfolgen (Sanierungsgewinn, Berichtigungen der Umsatzsteuer nach § 17 UStG, Verlustnutzung) gehören in Planunterlagen und Begründung – Steuern in der Insolvenz erfordern hier klare, widerspruchsfreie Formulierungen.

Entscheidend ist die Synchronisierung von Transaktionsdokumentation, Insolvenzplan und steuerlicher Erklärungspraxis, damit die Voraussetzungen von § 3a EStG und § 7b GewStG konsequent eingehalten werden.

Umsatzsteuer in der Insolvenz: Organisation vor Einzelfall

  • Berichtigung nach § 17 UStG: Zeitpunkt der Uneinbringlichkeit, Behandlung von Planquoten, Anzahlungen und Kettenberichtigungen.
  • Vorsteuer in der vorläufigen Insolvenz: Abgrenzung zwischen starker und schwacher vorläufiger Verwaltung; lückenlose Zuordnung von Leistungsbezügen.
  • Voranmeldungen und Prozesse: Trennung der Zeiträume, fristgerechte Abgaben trotz Ressourcenknappheit; belastbare Schnittstellen zwischen Buchführung, Lohnabrechnung und Steuererklärungen.

So werden Steuern in der Insolvenz planbar – und spätere Berichtigungen nachvollziehbar.

Masseverbindlichkeit, Haftung und Leitplanken für die Geschäftsleitung

Die Qualifikation als Masseverbindlichkeit bestimmt, ob die Masse in Anspruch genommen wird. Typische Fragen betreffen Umsatzsteuer aus Fortführungsumsätzen, Lohnsteuer für die Insolvenzmasse sowie Nebenleistungen. Parallel steigt in der Krise das persönliche Risiko der Geschäftsleitung nach §§ 34, 69 AO (insbesondere bei Umsatzsteuer und Lohnsteuer).

  • Zahlungsreihenfolgen und Liquiditätssteuerung: Dokumentierte Priorisierung gesetzlich geschuldeter Abführungen, um Haftungsvorwürfe zu vermeiden.
  • Governance und Dokumentation: Entscheidungsvermerke, Zahlungsjournale, Freigabeprozesse – als Entlastungsnachweis in späteren Prüfungen.

Post-Insolvenz-Beratung: steuerrechtliche Begleitung nach Aufhebung

Nach Aufhebung des Verfahrens beginnt oft die Post-Insolvenz-Beratung. Zwei Konstellationen sind regelmäßig zu sehen:

  • Betriebsprüfung nach der Sanierung: Prüffelder sind Sanierungsgewinn und dessen Behandlung nach § 3a EStG, Berichtigungen der Umsatzsteuer nach § 17 UStG, Vorsteuerabzug in der vorläufigen Insolvenz, periodengerechte Abgrenzung sowie die Darstellung im Jahresabschluss. Ziel ist eine geordnete Prüfungsakte mit Planunterlagen, Beschlüssen, Kontennachweisen, Offene-Posten-Listen und klaren Buchungsrichtlinien.
  • Unterstützung der laufenden steuerlichen Beratung: Wenn die reguläre Steuerberatung auf insolvenzrechtliche Implikationen im Steuerrecht stößt (Masse/Alt-Abgrenzungen, Vollstreckungssperren, Billigkeitsmaßnahmen), stellt die Post-Insolvenz-Beratung gezielte fachliche Bausteine bereit – von Buchungsanweisungen bis zu Textbausteinen für Anträge und Einsprüche.

Die Steuern in der Insolvenz enden nicht mit der Verfahrensaufhebung. Viele Fragestellungen (etwa zur Gewerbesteuer nach § 7b GewStG oder zur Körperschaftsteuer) werden in der Post-Insolvenz-Beratung abschließend geklärt.

Arbeitsweise und Ergebnisse

  • Kurzdiagnose: Strukturierte Sichtung von Verfahren, Buchhaltung, Steuerakten und Bescheiden; Identifikation der wesentlichen Hebel im Insolvenzsteuerrecht.
  • Maßnahmenplan: Verantwortlichkeiten, Fristenkalender, Buchungsrichtlinien, Kommunikationsmatrix mit Finanzverwaltung und (vorläufiger) Verwaltung.
  • Umsetzung: Erstellung oder Review von Umsatzsteuer-Voranmeldungen, Erklärungen zur Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer, E-Bilanz; Anträge (Billigkeitsmaßnahmen, Aussetzung der Vollziehung) und Einsprüche mit belastbarer Begründung.
  • Abschluss und Verstetigung: Prüfungsakte, Leitfäden für die Linie, Lessons Learned – Grundlage für die Post-Insolvenz-Beratung.

Durchgängiges Ziel ist Konsistenz: Zahlenlogik, Planunterlagen und Steuererklärungen bilden eine widerspruchsfreie Kette – ein zentrales Qualitätsmerkmal im Sanierungssteuerrecht.

Häufige Praxisfragen – eine knappe Auswahl

Greift § 3a EStG auch in konzerninternen Fällen?

Ja, sofern Sanierungsabsicht und Sanierungseignung belastbar nachgewiesen werden und die Maßnahmen unternehmensbezogen sind.

Wie werden Planquoten umsatzsteuerlich verarbeitet?

Regelmäßig über Berichtigungen nach § 17 UStG zum Zeitpunkt der Uneinbringlichkeit; Teilausfälle sind fallbezogen zu dokumentieren.

Wer gibt in welchem Zeitraum welche Erklärungen ab?

Üblicherweise der (vorläufige) Verwalter für Massezeiträume, das Unternehmen für Vorzeiträume – klare Abgrenzung verhindert Doppel- oder Untererfassung.

Was ist bei Verlustvorträgen nach Transaktionen zu beachten?

Strukturabhängig (Share/Asset, Organschaft, Beteiligungswechsel); Wechselwirkungen mit § 3a EStG und § 7b GewStG sind vorab zu modellieren.

Literaturhinweis

Weiterführend verweisen wir auf unser Handbuch „Insolvenzsteuerrecht“ von den LINTILIA LAW-Insolvenzsteuerexperten Prof. Dr. Jan Roth und Dr. Christina Meyer im Hagen (Otto Schmidt). Das Werk behandelt systematisch das Insolvenzsteuerrecht, das Sanierungssteuerrecht und die Steuern in der Insolvenz mit zahlreichen Praxisbeispielen. Hier erhältlich: Otto Schmidt.